Alle reden übers Wetter

Clara hat es geschafft. Weg aus der ostdeutschen Provinz führt sie als Dozentin ein unabhängiges Leben in Berlin und macht ihren Doktor in Philosophie. Zwischen ihren beruflichen Ambitionen, einer Affäre mit einem ihrer Studenten und der fordernden Freundschaft zu ihrer Doktormutter Margot bleibt wenig Zeit für die Familie. Als Clara mit ihrer fünfzehnjähriger Tochter zum 60. Geburtstag ihrer Mutter Inge zurück in die Heimat fährt, wird sie mit ihrem Ideal von einem freien, selbstbestimmten Leben konfrontiert. Wie hoch ist der Preis, den sie dafür zahlen muss?

Spieltermine

Kinostart: 16. September 2022 u.a. in Das Kino Salzburg,  Votiv Kino Wien, Actors Studio Wien, Admiralkino Wien, Leokino Innsrbuck, Crossing Europe Linz, Moviemento Linz, Filmforum Bregenz, Neues Volkskino Klagenfurt, Kino im Kesselhaus Krems, Programmkino Wels, Cinema Paradiso St. Pölten, Kino wie noch Nie Wien, Cinema Paradiso  Baden, forumschlosswolkersdorf, Spielboden Dornbirn

Pressespiegel

★★★★ „Ein brandaktueller und zugleich angenehm unaufgeregter Film.“ epd Film

„Annika Pinske einfängt auf eine sehr sensible Weise die Schichtungen deutschdeutscher Befindlichkeit.“ Der Standard

„Ein sehr schöner Film über Bildungsaufstieg und Zugehörigkeit, Mutterschaft und Emanzipation.“ Maria Motter fm4

„Ein großartig beobachteter, schmerzvoll witziger Film.“ Lena Miedl, Salzburger Nachrichten

„Pinske gelingt mit ruhigen Einstellungen eine unaufgeregte, kluge Gesellschaftsstudie, die nicht auf Herz und Humor vergisst.“ Falter

„Ein Film, der Herz und Atem raubt.“ Kino-Zeit

„Ein vielversprechender Debütfilm der von seine feinsinnge Beobachtung lebt.“ Ö1 Kulturjournal

★★★★★ „Eine hervorragende Beobachtung sozialer Sitten und menschlicher Beziehungen, in der Pinske einen scharfen Blick für ihre Figuren zeigt (Pinske hat auch das Drehbuch geschrieben) und von einer bis zur Perfektion kontrollierten Hauptdarstellerin unterstützt wird.“  ICS International Cinephile Society

„Ein Film über Klassismus, Entfremdung zwischen Stadt und Land, Ost-West-Herkunft und den Preis, den eine bindungsscheue Karrierefrau für ihr freies Leben zahlt.“ Tagesspiegel

„Clara, fantastisch verkörpert von einer zwischen universitärer Strenge und Emotion changierenden Anne Schäfer.“ epd Film

„Es gibt Filme, die so nah sind, dass sie nach ihrem Ende ein großes Glas Rotwein und eine Schachtel Zigaretten geradezu zwingend einfordern.“ Kino-Zeit

Biografie

Aufgewachsen in Frankfurt (Oder). Parallel zu ihrem Studium der Philosophie und Literaturwissenschaft arbeitete sie für den Theaterregisseur René Pollesch und war danach Assistentin der Filmregisseurin Maren Ade (Toni Erdmann). Im Jahr 2011 begann sie ein Regiestudium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. Ihre Kurzfilme wurden weltweit gezeigt und ausgezeichnet, darunter Spielt keine Rolle (Nominierung Deutscher Kurzfilmpreis 2015) und Homework (Gewinner Deutscher Kurzfilmpreis 2016). Alle reden übers Wetter ist ihr Abschlussfilm.

Filmografie

2015 Spielt keine Rolle - Kurzfilm

2016 Homework - Kurzfilm

2016 Taschengeld - Kurzfilm

2022 Alle reden übers Wetter

Festivals & Preise

Berlinale | New Directors, New Films NY | Crossing Europe Linz & Salzburg

Prädikat Besonders Wertvoll

Material

Filmplakat

Fotos
Trailer youtube vimeo DCP (3Go)

Interviews

Berlinale Interview mit Radio Eins

 

FRAGEN ZUM GRANDFILM „SONDERFILMBLATT“ ANLÄSSLICH DER BERLINALE 2022

 

Clara, die Protagonistin deines Films ist zum Studieren in die Großstadt gekommen, jetzt schreibt sie ihre Dissertation. Sie hat die Erwartungen ihres Umfeldes durchbrochen und musste sich einen eigenen Weg in die akademische Welt suchen. Dieser Weg macht etwas mit ihrem Blick auf Gesellschaft, aber auch mit dem Blick der Gesellschaft auf sie. Ist das eine Erfahrung die du mit Clara teilst? War das auch der Anfang von deinem Film?

Bei unserer Locationtour hing in der Humboldt-Universität ein Plakat, wo Studierende von Arbeiterkinder Hilfe, Unterstützung und Gleichgesinnte finden können. Das hat mich total berührt, das dort hängen zu sehen, so sichtbar für alle. Allein die Existenz eines solchen Plakats hätte mir in meinem Studium damals sicher schon geholfen. Während den ersten vier Semestern meines Philosophiestudiums habe ich ausschließlich Fremdwörter mitgeschrieben und zu Hause nachgeschlagen. Ich war maßlos überfordert. Dass das mit meiner sozialen Herkunft zu tun haben könnte, war mir damals überhaupt nicht klar. Ich dachte einfach ich bin nicht so schlau wie die anderen und war sehr verunsichert. So eine „Aufsteiger-Biografie“ hat viel mit Abgrenzung und Emanzipation in alle möglichen Richtung zu tun und das kann sich manchmal ganz schön einsam anfühlen und Clara ergeht es da ähnlich.

Am Anfang, soweit ich sowas überhaupt auf einen konkreten Punkt zurück führen kann, stand aber der Wunsch eine Mutter-Tochter-Geschichte zu erzählen. Das Thema ist historisch so untererzählt, dass es mir fast einer Verantwortung gleich kam, einen Film darüber zu machen. Aus einem ähnlichen Grund habe ich auch „den Osten" als Schauplatz gewählt. Es gibt viel zu wenig Filmemacherinnen, die über ostdeutsche Biografien erzählen.

 

Mit Clara porträtierst du eine starke Frau, bei der man nicht das Gefühl hat, dass sie sich von irgendjemand was sagen lässt. Gleichzeitig wird aber auch sichtbar, wie schwer es für sie ist, als Frau, als getrennte Mutter und als Kind von Arbeiter*innen, sich in der akademischen Welt zu behaupten, wie ungeschützt sie darin ist. In wie weit ist dein Film für dich auch ein Kommentar zum Stand der Gleichberechtigung in Deutschland?

Es ist definitiv ein Kommentar zum Stand der Gleichberechtigung geworden. Ich sage geworden, weil das am Anfang nicht unbedingt meine Motivation war.

Kino ist für mich ein Ort der Erkenntnis. Nirgendwo sonst kann ich in so kurzer Zeit in ein mir fremdes Leben eintauchen und ein Bewusstsein dafür entwickeln. Wenn ich ins Kino gehe, dann will ich verstehen. Und wenn ich schreibe, dann gehts mir ähnlich. Mich interessiert das Banale, der ganz schnöde Alltag meiner Figuren mit all den unbewussten Gewohnheiten, Prägungen und Ritualen (wie über das Wetter zu reden). Ich glaube, dass eine ganze Welt in diesen banalen Handlungen liegen kann, wenn ich es schaffe, daraus gute Szenen zu machen. Ob es am Ende ein Kommentar wird und wie politisch das ist, das kann ich währenddessen gar nicht sagen. Für mich ist am wichtigsten, dass die Szenen organisch sind, dass die Konflikte aus den Motivationen der Figuren kommen und dass die sie relevant für ein Publikum sind. Wenn also alles zusammen kommt, sind die Filme, die ich machen möchte, wahrscheinlich zwangsläufig ein Kommentar auf gesellschaftliche Zustände, ohne das ich mit einer irgendeiner Agenda starte.

Der Film besteht aus einer Fülle an pointierten Szenen und tollen Dialogen. Wie findest und schreibst du deine Szenen?

Vielen Dank, das ist ein schönes Kompliment. Es tut gut zu hören, weil es so viel Arbeit war und kreative Prozesse bei mir immer von Zweifeln begleitet sind. Ich habe zwei Jahre am Drehbuch geschrieben und nicht alle Vorgänge im Prozess sind mir so klar und bewusst gewesen. Aber sich so einen langen Zeitraum zum Schreiben zu nehmen ist schon ein sehr entscheidender Faktor.

Am Anfang schreibe ich ganz frei und egoistisch nur Szenen die mir Spaß machen... alles wild durcheinander. So entsteht ein Pool an Dialogen und Figuren, an dem ich mich dann später immer wieder bedienen kann, aber nichts davon landet eins zu eins im Film. So finde ich überhaupt erstmal raus, welche Themen mich interessieren, welche Figurenkonstellationen funktionieren könnten, was uninteressant ist usw.

Ich arbeite nicht mit Plotpoints oder der Heldenreise, das hemmt mich und führt bei mir eher dazu, Klischees zu produzieren. Es ist eher eine Suche, auch nach dem, was weibliches Erzählen sein kann. Das große Ganze kann ich am Anfang sowieso nicht überblicken und es gibt auch kein Ziel auf das ich hin schreibe. Ich will mich überraschen können und selbst auch was rausfinden dürfen beim Schreiben.

Eine Szene kann mit einer Alltags-Beobachtung anfangen, die mir nicht mehr aus den Kopf geht, eine Erfahrung, oder ein Gefühl, das mich beschäftigt. Es kann eine These aus einem Sachbuch sein, die mich inspiriert und zu der ich ein Bild suche. Sobald die Themen und Figuren einigermaßen klar sind, ist die Recherche natürlich erste Inspirationsquelle. Ich war in Weimar und Esslingen an den Unis und habe Professorinnen und junge Dozentinnen für ein paar Tage begleitet. Ich habe Interviews geführt, vor allem mit Philosophie-Doktorandinnen, aber auch mit Trennungskindern im Teenageralter. Ab einem gewissen Punkt im Schreiben muss alles aus den Figuren kommen, es muss Sinn machen, nachvollziehbar sein, egal wie widersprüchlich sie handeln, egal wie ambivalent sie sind. Und das ist dann ein ewiges Abwägen und Ausprobieren, wie viel Information ist nötig, dass es nicht beliebig wird und wo lasse ich die Leerstellen, dass die Zuschauer*innen miterleben und empfinden darf, ohne dass ich sie bevormunde. In der Phase bin ich total auf Feedback angewiesen. Da ich so frei anfange, muss ich am Ende natürlich alles irgendwie wieder einfangen und ohne die Hilfe meines Co-Autors Johannes Flachmeyer und den klugen Anmerkungen von Maren Ade und Petra Lüschow wäre das Buch sicher nicht so dicht geworden.

Der Film wird stark getragen von dem großartigen Schauspieler*innen-Ensemble und der tollen Schauspieler*innenführung. Wie arbeitest du mit deinen Schauspieler*innen und was bedeutet das für die Zusammenarbeit mit der Kamera?

Ich versuche den Schauspieler*innen Freiraum zum Spielen zu geben. Eine Szene wird immer von Anfang bis Ende durchgespielt, egal wie viel Takes wir machen. Das war für unsere Auflösung eine ziemliche Herausforderung. Es gibt keine Marken, die sie treffen müssen, sie sind frei sich, ihren Impulsen zu folgen. Die einzige Verabredung ist, dass niemand außer mir den Take beenden darf. Meine Regieanweisungen sind ganz einfache Handlungsanweisungen, das sind ja alles Profis, ich muss denen nichts erklären, ich gebe ihnen nur eine Art Auftrag mit für den nächste Take. Meine Aufgabe am Set ist es, den Apparat so gut es geht verschwinden zu lassen für die Schauspieler*innen und sie zu überraschen, die Vorgänge auch mal zu stören, dass es lebendig bleibt, indem ich z.B. Sätze ändere, wegnehme oder hinzufüge.

Es gibt für mich nicht eine Art Ziel, wie die Szene richtig zu spielen ist, worauf ich dann hin arbeite. Die Szene muss sich authentisch anfühlen, wie wir dahin kommen ist total unterschiedlich.

Ben Bernhard, mein Kameramann, und ich hatten auch den Wunsch, das Geschehene nicht nur abzufilmen, sondern eigene Bilder zu schaffen. Ich stelle aber eine Schauspielerin nicht ans Fenster, weil es gut aussieht. Entweder geht sie dort hin oder nicht. Und Interessanterweise konnten wir das ziemlich gut vorbereiten. Es gibt nämlich gar nicht so unendlich viele Möglichkeiten, sich in einer Szene zu bewegen. Die Handlung der Szenen und die Locations geben einfach bestimmte Wege vor, die organisch sind, auch der Abstand der Figuren ergibt sich aus ihrem Verhältnis und aus dem, was sie miteinander verhandeln. Ben und ich waren an allen Locations und haben vor Ort alles durchgespielt und aufgelöst, das habe ich ich mir bei Maren Ade abgeschaut. Bei aufwändigen Szenen wie der Villa des Professors oder Inges Geburtstagsfest, waren wir sogar öfter da und wir konnten das ziemlich gut vorbereiten. In den meisten Fällen haben die Schauspieler*innen intuitiv gemacht, was wir gemacht haben.

Mich interessieren die unbewussten Verhaltensweisen und die Prägungen meiner Figuren, ihre subtilen Gewohnheiten und ihr ganz banaler Alltag sowie ihr Platz in der Ordnung von Familie und Gesellschaft.

Letztendlich geht es an der Oberfläche in den meisten Szenen um ganz einfache, alltägliche Interaktionen. Die Schwierigkeit und Herausforderung in der Inszenierung liegt darin, den Subtext, fühlbar zu machen, ohne dass er ausgesprochen wird. Es ist ja oft Wissen, dass selbst die Figuren nicht von sich haben. Wenn das gelingt, und das ist dann das Zusammenspiel aus allen Elementen des Films, dann kann selbst die kleinste Handlung im intimsten, familiären Kontext eine politische Dimension bekommen.


Der Film ist dein Abschlussfilm an der dffb schon vorher hattest du lange bei Komplizenfilm und Maren Ade mitgearbeitet. Wie wichtig ist für dich dein Umfeld für das Filmemachen?

Komplizen Film war mein erster Kontakt in die Filmwelt überhaupt, als ich dort vor 15 Jahren ein Praktikum gemacht habe. Die Firma bestand damals eigentlich nur aus Maren und Janine Jackowski und mir ist erst später klar geworden, was für ein absoluter Glücksfall das für mich war, bei zwei Frauen zu landen, die ganz autark und selbstverständlich die Filme machten, die sie machen wollten. Ich hatte vorher nicht einmal eine Vorstellung davon, dass ich Regisseurin werden könnte. Ich glaube ich hatte damals ein ziemliches Klischee im Kopf wie ein Regisseur sein muss, jedenfalls hielt ich mich aus irgendeinem Grund nicht für interessant oder verrückt genug. Mir fehlten ganz einfach weibliche Vorbilder.

Ohne Komplizen Film hätte ich nicht das Selbstvertrauen gefunden, mich an der dffb zu bewerben. Was das Filmemachen angeht, habe ich den beiden so viel zu verdanken. Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, sich als Frau in dieser Branche an anderen Frauen zu orientieren und sich ehrlich und auch kritisch aufeinander zu beziehen. Wenn man es schafft, in Freundschaften professionell miteinander zu arbeiten, dann ist das die fruchtbarste Form der Zusammenarbeit.